Quo vadis, Deutschland?

 

Es wird Zeit, angesichts der Ereignisse in Deutschland, die politischen Entwicklungen und Diskussionen zu kommentieren. Einfach mal meine Gedanken und meine Meinung in diesem Blog niederzuschreiben. Anfangen will ich mit folgenden Punkten, zu denen ich meine Gedanken äußere:

Inhaltsverzeichnis

1. Stellt der Terrorismus eine Gefahr da - gibt es sinnvolle Maßnahmen?
    1.1 Ursprung des Terrorismus
    1.2 Wie real ist die Terrorgefahr?
    1.3 Bekämpfung des Terrorismus
         Update 1: Tornados nach Afghanistan
         Update 2: Antiterrordatei

2. Freie Demokratie oder Überwachungsstaat - wo geht es hin?
    2.1 Legitimität
    2.2 Meinungsfreiheit
    2.3 Gewaltenteilung
    2.4 Überwachung
    2.5 Unterordnung des Einzelnen
    2.6 Informationsfreiheit
    2.6 Elitäre Klassen
         Update 1: Wer nichts zu verbergen hat, ...
         Update 2: Bundestrojaner unter Schily
         Update 3: Sicherheit von Wahlcomputern
         Update 4: Die Verdachtsunabhängige Überwachung ist gekommen.
         Update 5: Bundesverfassungsgericht kippt Schäubles Spionagewahn.

3. Wie stark sind Wirtschaft und Politik verzahnt - hat der Bürger überhaupt noch Einfluss auf die Politik?
    3.1 Öffentliche Meinung
    3.2 Indirekte Beeinflussung von Entscheidungsträgern
    3.3 Direkte Beeinflussung von Entscheidungsträgern
        3.3.1 Enthüllung und Aufdeckung von Korruption
        3.3.2 Effektivität der Bekämpfung
        3.3.3 Konsequente Nachverfolgung
    3.4 Regierungs-Sponsoring
    3.5 Ausweg: In die Politik gehen?

4. Verdummt Deutschland (durch das Fernsehen)?

5. Urheberrecht und Private Nutzung

 

 

1. Stellt der Terrorismus eine Gefahr da - gibt es sinnvolle Maßnahmen? [25.02.07]

Seit dem 11. September 2001 ist weltpolitisch eine noch die da gewesene Kampagne gestartet worden, die den Zweck hat, den Terrorismus, egal in welcher Form er auftritt, zu bekämpfen. Allen voran hat ein texanischer Cowboy, der sich selbst zum Weltsheriff ernannt hat, zu einem Krieg gegen den Terrorismus aufgerufen (als auch wortwörtlich praktiziert). Seitdem ist einige Zeit vergangen. Man ziehe eine Bilanz.

Ursprung des Terrorismus: Schon immer hat es Menschen gegeben, die mit Gewalt auf projizierte Feindbilder reagieren und das, seien wir ehrlich, wird in Zukunft genauso sein. Ob jetzt nun ein einzelner Mensch ein Attentat ausführt oder eine Gruppe Gleichgesinnter, einen hundertprozentigen Schutz wird es nie geben. Allerdings kann man den Ursachen entgegen treten und so die Wahrscheinlichkeit für einen Anschlag reduzieren. Was sind die Ursachen und was bringt einen Mensch dazu, Terrorist zu werden? Die zwei häufigsten Hintergründe von terroristischen Aktionen sind politisch oder religiös begründet. Als ein ägyptischer Politiker einmal gefragt wurde, was man denn gegen den Terrorismus in seinem Land unternehmen kann, war seine Antwort: "Bildung! Bildung! Bildung!" Er sprach damit etwas aus, was allgemein bekannt ist. Der größte Zulauf, sprich die Basis, besteht oder kommt von Menschen, die arm, ungebildet und wenig Perspektiven im Leben haben - von wenigen Ausnahmen abgesehen. Klar, wenn es einem gut geht, warum daran was ändern? Dieses Phänomen zeigt sich auch in Deutschland wieder: Im ehemaligen Osten, wo die höchste Arbeitslosigkeit herrscht ist auch der Zulauf zu rechtsradikalen Gruppierungen am größten. Aber welcher Politiker gibt schon gerne zu, dass er eine Mitschuld besitzt? Welche schreckliche Auswirkungen eine verfehlte Politik haben kann, zeigt der Irak-Krieg. Die weltweite Empörung nach den Anschlägen hatte sich auch tief in die islamitische Welt hineinerstreckt und gesorgt, dass viele, die bisher neutral oder dem Terrorismus zugewandt waren, sich von ihm distanzierten. Der Angriff auf den Irak (die Achse des Bösen), sollte nach dem Willen des texanischen Cowboys vernichtet werden. Was ist passiert? Innerhalb eines Jahres bekam die El Kaida mehr Zulauf als in den zehn Jahren davor. Die UNO hat Anfang 2007 in einem Bericht folgenden Zahlen genannt: "Schätzungsweise sind 35 000 Menschen Anschlägen und Attentaten seit dem Einmarsch der Amerikaner, Briten und deren Verbündeten zum Opfer gefallen."
Nicht verwunderlich: Gewalt erzeugt Gewalt. Aber nicht nur im Irak fanden vermehrt Anschläge statt. Viele geben den Amerikanern, Briten und Spaniern die eigentliche Schuld. Nicht mal ganz zu Unrecht kann man sagen. Anschläge in den dortigen Ländern haben zu weiteren Opfern geführt. Man kann über unseren ehemaligen Kanzler Schröder sagen, was man möchte, aber seine Entscheidung, sich nicht am Irak-Krieg zu beteiligen, war goldrichtig. Dieser Krieg wurde unter falschen Vorrausetzungen geführt. Da war zum einen die Behauptung, der Irak sei das Terrornest, verantwortlich für die Anschläge vom 11. September. Es gäbe einen staatlich geförderten Terrorismus.
Nun ja, sieht man näher hin, wer alles am 11. September beteiligt war, sieht man das: Fast alle beteiligten Terroristen kamen aus Saudi-Arabien und wurden dort ausgebildet. Da aber Georges Daddy ein Wirtschaftsimperium führt, in dem die Saudis als Hauptkapitalanleger drin sitzen, durfte er nicht Saudi Arabien die Schuld geben (Michael Moores Film 9/11 Fahrenheit ist da sehr aufschlussreich). Und es geht noch weiter. Da Georgies Vater im ersten Golfkrieg mit Saddam Hussein noch eine Rechnung offen hatte, wollte sein Sohnemann diese Scharte auswetzen. Der Aufhänger, dass der Irak Atomwaffen entwickle und diese einsetzen wolle, war, wie wir heute wissen, erstunken und erlogen (Nur Tony Blair behauptet noch, dass es Beweise gegeben habe, obwohl die CIA vor einem Jahr schon ein Dementi herausgegeben hatte). Auch die Aussage, es würde ein sauberer Krieg sein, der keine unnötigen Opfer unter der Zivilbevölkerung bringen würde ist schon ein Hammer. Ein Krieg war schon immer ein schmutziges Geschäft und wird es auch immer sein. Menschen, die was anderes behaupten, sind Lügner oder einfach nur dumm. Nun ja, die Sache ist gelaufen. Die USA haben zwar Saddam abgesetzt, aber das war auch nur ein Erfolg. Dass amerikanische Firmen im Irak nun gutes Geld verdienen am Erdöl und anderen Ressourcen, zeigt auch dass wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten. Generell ist es nach meinem Empfinden sehr zweifelhaft, einen souveränen Staat anzugreifen, bloß weil es eine Diktatur ist oder einem der Diktator nicht gefällt. Wo lag die Ermächtigung bei diesem Krieg?
Es gab keine und es fehlte eine Unterstützung. Um eine Unterstützung zu erhalten, hat Bush zu einer Methode gegriffen, die bei Massen immer funktioniert: Erzeuge Angst. Tagtäglich bekamen die Leute in den Medien zu hören, ein neuer Anschlag sei geplant. Kleinstädte seien betroffen, nicht nur New York und andere Großstädte. Das bekam man so häufig zu hören, dass keiner mehr wusste, was wahr ist oder nicht. Hierbei tragen die Medien eine Mitschuld, denn erst durch sie wurde die Angst soweit geschürt, dass viele Menschen den Angriff auf den Irak begrüßten, weil sie sich davon Sicherheit versprachen. Geht man von der Definition des Terrors aus, dass das Ziel es ist, Angst und Schrecken zu verbreiten, dann hat George Bush dem Begriff Staatsterrorismus eine neue Bedeutung gegeben. Fassen wir also zusammen: Ursachen für den Terrorismus sind entweder politisch, religiösen oder sogar staatlich kontrollierten Ursprungs.

Wie real ist die Terrorgefahr? Sicherlich ist durch den Irakkrieg die Terrorgefahr erhöht worden. Signifikant höher? Es ist vielleicht ein höherer Level an Bereitschaft da. Aber neben den Willen benötigt man auch Mittel und Möglichkeiten. In Spanien und England hat es verheerende Vergeltungsanschläge gegeben; eine Reaktion auf deren Kriegsbeteiligung. In anderen Ländern passierte nichts. Lediglich Deutschland bildete eine Ausnahme. Die WM2006 in ein blutiges Fanal zu verwandeln, war ja eine Befürchtung, die durchaus hätte real werden können. Zwei Studenten ließen aber von dem Plan ab, weil die Sicherheitsmaßnahmen sie abschreckend; erst Wochen später platzierten sie die Gepäckbomben in den Zügen, die zum Glück nicht hochgingen. Sieht man genauer hin, ergeben sich aber Unterschiede zu den Anschlägen in England und Spanien. Dort stand ein ein komplettes Netzwerk dahinter, offensichtlich gut organisiert. Bei uns waren es Einzeltäter, ohne eine Verbindung zu einem Netzwerk. Es zeigt sich aber, dass auch intelligente Menschen (bei Studierende sollte der IQ höher als im Durchschnitt sein), Schwierigkeiten haben funktionierende Bomben zu bauen. Einige Blicke in ein Chemiebuch und suchen nach Anleitungen im Internet bieten theoretisch ausreichend Wissen, aber praktische scheint es doch nicht so einfach zu sein, eine zu bauen. Gruppierungen stellen als eine deutlichere Gefahr als Einzeltäter. Bei den letzteren ist es wie mit Amokläufern. Man weiß nicht, wann und wo es passiert. Das wird es immer wieder geben und dagegen kann man sich auch nicht schützen. Gruppierungen sind gefährlich. In Deutschland gibt es, von rechten Gruppen abgesehen, keine politischen Gruppierungen, die sich Gewalt auf die Fahne geschrieben haben. Die Zeiten der RAF sind vorbei. Aber unumstritten ist es auch, dass logistischer Support für ausländische Terroraktivitäten zum Teil aus unserem Land kam. Aber dennoch, alles in allem kann man in unserem Land nicht von einem Terrorkrieg sprechen und die Wahrscheinlichkeit durch einen Verkehrsunfall zu sterben ist deutlich höher.

Bekämpfung des Terrorismus: Wie gesagt, man wird nie hundertprozentig geschützt sein. Was kann man tun? Es gibt aktive (präventive) und passive Maßnahmen. Zu den aktiven gehört es, dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen. Am effektivsten sind folgende Maßnahmen: Beseitigung der sozialen Missständen, der Arbeitslosigkeit, Förderung von Bildung. Hier ist ganz klar die Politik gefragt. Sehr wenig kann sie tun, wenn es um religiöse oder persönliche Einstellungen geht, die zum Terror führen. Religionen zu verbieten wäre weder geeignet noch durchführbar. Auch Einstellungen, wie rechtsradikale Gesinnung würde sich durch ein Verbot nicht ändern. Aber solche fundamentalistischen oder radikale Ansichten entstehen nicht von alleine; es gibt immer jemanden, der das predigt oder fördert. Und je jünger eine Person ist, umso anfälliger ist sie. Demzufolge sollten in Schulen, vielleicht sogar schon in Kindergärten die Kinder/Schüler darauf aufmerksam gemacht werden, dass solche Dinge falsch sind. Humanismus, Toleranz und Achtung der Menschenrechte sollten selbstverständlich sein. Nicht akzeptabel ist staatlicher Gegenterror, wie es zum Beispiel Israel machte: gezielte Mordanschläge auf führende Köpfe der Hamas und PLO. Aussagen wie: "Er ist ein Mörder, deshalb darf ich ihn ermorden." gehen an der Wirklichkeit vorbei. Den a) verfehlen sie die Wirkung, weil für jeden getöteten Anführer zwei neue nachwachsen und b) sie machen sich selbst zu Mördern und wären somit gemäß ihrer eigenen Begründung, selbst zum Abschuss freigegeben. Sicherlich ist es auch sinnvoll ein Auge auf Personen zu haben, die sich offen zu eine Gruppierung bekennen oder mit dieser sympathisieren. Die Frage ist, wie weit das Auge gehen soll. Ist der überwachte, gläserne Mensch wirklich die Lösung und verstoße ich damit nicht die Grundrechte einer Person. Ist ein konkreter Verdacht gegeben, dann ja, wäre eine Maßnahme gerechtfertigt. Eine verdachtsunabhängige Überwachung verstößt in meinen Augen ganz klar gegen die Grundrechte eines Menschen, wie sie im Grundgesetz verankert sind. Es scheint allerdings, dass Politiker schnell bei der Hand sind, diese zu vergessen, wenn sie sich profilieren wollen. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzentwurf, dass Flugzeuge abgeschossen werden dürfen (bevor sie in ein Gebäude reinrasen), wieder gekippt. Und das unser guter Bundespräsident gleich zweimal seine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert hatte mit dem Hinweis, dass es ein Verstoß gegen die Verfassung wäre, ist ein Schlag ins Gesicht unserer Regierung. Unfähigkeit wäre noch ein harmloses Wort.
Schauen wir mal die passiven Maßnahmen an. Passive Maßnahmen sind die Maßnahmen, die die Ausübung eines Anschlags erschweren sollen. Sensitive Bereiche sollen gesichert werden. Kameraüberwachung, Personenkontrollen sind zentralen Plätzen wie zum Beispiel Bahnhöfen und Flughäfen Mittel, die eingesetzt werden. Während Personenkontrollen wirksam in der Verhinderung von Anschlägen sind, dienen Kameras nur zur nachträglichen Aufklärung. Neu ist jetzt in Groß-Britannien die Idee, Kameras zu verwenden, die Wellen im Terahertzbereich detektieren, die sie vorher aussenden. Diese durchdringen Kleidung mühelos. Es entstehen dabei keine richtigen Nacktbilder, aber es ist so auch schon schlimm genug. Ein neuer Traumjob für Spanner bahnt sich da an. Dies zeigt aber wieder, dass die Politiker keine Antworten haben den Terrorismus zu bekämpfen. Das gab in einem Talkduell ein SPD-Politiker auch zu, nachdem ihn ein FDP-ler in die Enge getrieben hatte. Die Politik hat also keine Antworten. Eins ist klar. Eine Ursache muss an der Wurzel bekämpft werden, die Symptome zu bekämpfen. Panzer vor den WM-Stadien und schwer bewaffnete Männer an den Flughäfen tragen nicht zu meinem Sicherheitsgefühl. Eine missverstandene Situation, ein Finger zu locker am Abzug und schon ist es geschehen. Und wie sieht es mit den anderen Maßnahmen aus? Die primäre Maßnahme scheint es ja zu sein, den Bundesbürger zu überwachen. Einen Moment, warum gilt es uns zu überwachen und nicht die Terroristen? Ach du Schande, ich hab' ja vergessen: Für unseren Innenminister Schäuble ist ja jeder Bundesbürger ein potentieller Terrorist. Aus eigener Erfahrung weiß er ja, wie schnell aus einem braven Bürger ein Attentäter werden kann. Und wer kann schon die Angst und Furcht nachempfinden, sofern er nicht selbst gespürt hat, wie es ist, wenn ein Messer oder eine Kugel den Körper durchschneidet. Schäuble ist eh ein Thema für sich. Einst designierter Kohlnachfolger, in Ungnade gefallen, im Rollstuhl sitzend, keine (politischen) Freunde mehr, wurde nur, um Sympathien bei der Wahl zu erwecken, wieder in den Regierungskreis der CDU erhoben. Es ist kein Wunder, dass er einen Hass auf andere Menschen empfindet. Auf die Frage eines Reporters, wie er den zu der Tatsache stehe, dass die US-Regierung ohne rechtliche Handhabe Menschen in Guantanamo inhaftiere und denen auch Rechte vorenthalte, wie sie laut Genfer Konvention, jeder Kriegsgefangene haben muss, gab Schäuble mit tiefen Bedauern in seiner Stimme zu Antwort: (Leider) ist dies mit unserem Recht nicht vereinbar. Okay, das Wort leider hat er nicht ausgesprochen, gehört hat man es dennoch. Seiner Ansicht nach ist es okay, wenn Menschenrechte für Terroristen (oder die als solche verdächtigt werden, oder von denen man annimmt, dass sie mit Terroristen sympathisieren) außer Kraft gesetzt werden. Übel ist es allerdings, dass er ja auch jeden Bundesbürger als potentiellen Terrorist ansieht und mit seiner Gesetzesinitiativen genau darauf hinarbeitet. Wenn ich also vergleiche, wer die größere Gefahr für mein Leben, die Freiheit und die demokratische Ordnung in Deutschland ist, Bin laden und Co. oder Schäuble und Konsorten, dann ist es klar Schäuble.

Update 1: [11.03.07]: Wie gesagt, Terrorismus entsteht nicht einfach so. So können politische Fehlentscheidung diesen fördern: Unsere Regierung hat den "glorreichen" Beschluss gefasst, Tornados nach Afghanistan zu schicken. Aus welchen Gründen auch immer. Denn wie sagt ein Offizier der Bundeswehr in Afghanistan: "Wir können hier alles gebrauchen, bis auf Tornados!" Auch der amerikanische Sprecher der US-Streitkräfte sagte in einem Interview: "Wir begrüßen das neue Engagement der deutschen Regierung. Aber wir haben hier Flugzeuge, die bei jedem Wetter, auch in der Nacht fliegen und aufklären können." Salopp gesagt, niemand braucht die Tornados. Die deutschen Streitkräfte hatten in Afghanistan bisher einen guten Ruf bei den Einheimischen, weil deren Schwerpunkt der Wiederaufbau war. Für diesen Aufbau fehlen zig Millionen, die man nicht hat. Aber zum Rüberschicken der Tornados gibt es plötzlich einige Millionen. Ich habe mir schon damals gedacht, wie unfähig unsere Politiker sind. Die Konsequenz dieser Entscheidung bekam ich unterwegs im Auto zu hören. Im Radio (SWR3) kam die Meldung, dass eine Botschaft von islamitischen Terroristen aufgetaucht sei, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, ihre Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen. Danke, liebe Bundesregierung, dass ihr durch eure ach so kluge Entscheidung, Angriffswaffen nach Afghanistan zu schicken, die Sicherheit eurer Bundesbürger im Ausland (Iran, Afghanistan, usw.) mal wieder verringert habt! [Update: Man muss kein Nostradamus sein, um zu prophezeien, dass was passieren würde. Wie bekannt wurde, sind im Irak 2 Deutsche entführt worden und als Bedingung wurde gestellt, sich aus Afghanistan zurückzuziehen.]

Update 2: [13.03.07]: Zur Effizienz der Maßnahmen ist mir noch ein anderes Beispiel eingefallen: die Antiterrordatei. Die soll ja bei uns auch kommen. Die Amerikaner haben schon so was und es gibt auch schon Untersuchungen über die Effizienz dieser Antiterrordatei. Ergebnis: Es gab keinen einzigen positiven Match, aber jede Menge negative. Ursache waren häufig Namensgleichheiten. Einen Hans Müller z.B. gibt es halt sehr häufig. Auch wurde bemängelt, dass die Listen unvollständig (zum Beispiel fand man nicht den Namen Osama bin Laden auf der Liste) oder veraltet waren (der Terrorist war schon verhaftet oder gestorben). Sinnlos verpulverte Millionen. Und nebenbei bemerkt, dass ein Topterrorist unter seinem richtigen Namen reist ist unwahrscheinlich. Man hatte also Millionen in eine Antiterrordatei gesteckt mit dem Resultat, dass es nichts bringt. Vermutlich glauben einige deutsche Politiker, dass sie es besser hinkriegen als die Amis.


2. Freie Demokratie oder Überwachungsstaat - wo geht es hin?

"Wer die Freiheit opfert, um Sicherheit zu erlangen, wird am Ende beide verlieren."

Benjamin Franklin

Vor Jahren, als ich das Buch von George Orwell - 1984 gelesen hatte, dachte ich, so weit wird es Gott sei Dank nicht kommen. Immerhin leben wir in einem Rechtsstaat. Auch Filme wie Brazil oder V wie Vendetta beschreiben Zukunftsszenarien, bei deren Anblick man froh ist, dass es nur Fiktion ist. Mittlerweile hat die Realität die Fiktion eingeholt - oder ist dabei es zu tun. Geht Deutschland in Richtung eines Überwachungsstaates/Diktatur? Es gibt mehrere Merkmale einer Diktatur. (Hinweis: Es muss kein Diktator an der Spitze der Regierung stehen, eine Gruppe oder Partei erfüllt den selben Zweck.) Gemeinsame Merkmale von Diktaturen sind zum Beispiel die Überwachung und die Beschneidung der Rechte der gewöhnlichen Bürger. Es gibt Krisenzeiten (z.B. Krieg), in denen dies notwendig ist. Aber das sollte dann auch wirklich nur temporär sein. Kanada hat zum Beispiel seine Antiterrorgesetze nach 5 Jahren nicht weiter verlängert, weil die Regierung keinen Bedarf mehr sieht. Nur in Deutschland sind einige konservative Köpfe darauf aus, die Rechte der Bürger weiter zu beschränken und gleichzeitig die Überwachung auszuweiten. Als Ausrede dient Terrorbekämpfung (und wenn das nicht zieht, dann nimmt man Kinderpornographie, Hacker, Raubkopierer und vergleichbare Schlagworte).
Wohin die geplanten Gesetze führen und welche Auswirkungen sie haben, kann man nachvollziehen, wenn man mal ins Kino geht. Der Oscar-prämierte Film "Das Leben der Anderen" hat unter anderem den Oscar erhalten, weil er zeigt wie unmenschlich ein System ist, dass primär dazu gedacht ist, Menschen zu überwachen und zu kontrollieren.
Bewegt sich Deutschland also in Richtung Neostasi-Staat bzw. Diktatur? Es gibt objektiv einige Punkte die man unter der Lupe betrachten sollte. Was macht den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur aus?

2.1) Legitimität: Es gibt in Diktaturen keine freien, unbeeinflusste, neutrale und nachprüfbare Wahlen. Die OSZE sendet zu allen seinen 56 Mitgliedstaaten (und damit auch nach Deutschland) unabhängige Wahlbeobachter hin. Diese habe die Aufgabe Verstöße zu protokollieren. Wir wählen noch, aber wie lange kann man das Ergebnis einer Wahl noch überprüfen? Unsere Regierung hat den Einsatz von Wahlcomputern gestattet. Damit verschwindet alles in einer Blackbox und niemand kann hinterher feststellen, dass auch wirklich so gewählt wurde! Es gibt, um es noch einmal klar zu machen, keine Möglichkeit der Überprüfung! => Keine funktionierende Demokratie braucht Wahlcomputer!
Auch wenn man mal unterstellt, dass eine Regierung keine Wahlergebnisse manipulieren will, irgendwann wird es einen geben, der es versucht. Bei den zugelassen und verwendeten Wahlcomputer gibt es mehrfach bestätigte Sicherheitsmängel. Eine Sendung in den Niederlanden zeigte ein Beispiel der Manipulation. Und auch der CCC hat demonstriert, wie einfach es ist, die Maschinen zu manipulieren. Eine Manipulation dergestalt, dass diese hinterher nicht mehr nachweisbar war! Fehlerhafte, manipulierte Geräte sind der Niedergang der Demokratie. Man sieht ja, was der Einsatz von Wahlcomputern in den Vereinigten Staaten mit sich brachte. Wahlautomaten haben nachweislich mehr Stimmen geliefert, als es Wahlberechtigte gab und sehr häufig wurden Wahlergebnisse übermittelt die im krassen Gegensatz zu den Wahlerhebungen und Meinungsumfragen der entsprechenden Bezirke standen. So krass, dass sogar einige US-Senatoren lauthals Manipulation und Wahlfälschung riefen. Deren Problem war aber, dass man in allen Fällen den Betrug nicht nachweisen konnte (Blackbox!). Es mag nur als Zufall erscheinen, dass die Bezirke, in denen einen Wahlbetrug vermutet wurde, alle von George Bush gewonnen wurde.
Laut unserem Gesetz muss eine Wahl nachprüfbar sein. Hat unsere Regierung gegen das Grundgesetz verstoßen, indem sie Wahlmaschinen eines holländischen Herstellers billigte, die nachweislich einfach zu manipulieren sind? Zumindest läuft gerade eine Klage beim Bundesverfassungsgericht. Meines Erachtens mit Recht: Denn eine Wahlmaschine in der Form ist eine Blackbox, die am Ende nur Zahlen liefert und keine Informationen, wie diese Zahlen zustande gekommen sind, gehört verboten! Das Argument, dass Wahlmaschinen Kosten einsparen, ist falsch. Denn hunderttausend Euro für ein Gerät auszugeben, ist eine Investition, die sich erst in mehreren Jahren rentiert und im Wahllokal benötigt man weiterhin Personal (Anleitung der Personen, Überwachung, dass niemand die Wahlmaschine manipuliert), so dass auch die Personalkosten nicht reduziert werden. Der einzige Vorteil von Wahlmaschinen ist, dass Ergebnisse sofort nach Schluss des Wahllokals zur Verfügung stehen. Aber das kann man auch wie folgt erreichen: Man nehme Fahrkartenautomaten der Bahn oder eines städtischen Verkehrsbund, die statt Tickets Wahlscheine druckt. Man wählt seine Partei aus und lässt sich den Stimmzettel ausdrucken. Diesen wirft man in die Wahlurne. Gleichzeitig merkt sich der Automat, was er gedruckt hat. Diese Daten lassen sich elektronisch am Ende abrufen. Zur Nachprüfbarkeit der Ergebnisse muss man nur die Urnen auszählen. Eine zufällige Stichprobe in sagen wir 10.000 Wahllokalen sollte statistisch gesehen ausreichend sein, ein Wahlergebnis zu überprüfen.
Sind wir in Deutschland gezwungen, sich den verdrehten Ansichten unserer Politiker unterzuordnen? Nein! Natürlich gibt es in Deutschland die Möglichkeit eine Petition einzureichen. Unter der Homepage vom Bundestag, kommt man über mehrere (nicht leicht zu findende) Links hinweg auf die Möglichkeit, Petitionen zu erstellen bzw. zu unterstützen. Es erhebt sich auch die Frage, warum die Petitionsseite über eine Universität in Edinburgh betrieben wird?
Was wird die Zukunft bringen? Vom 22. - 23. März 2007 diskutieren Vertreter der europäischen Regierungen über den Einsatz von E-Voting. Allerdings unter den Ausschluss der Öffentlichkeit und der Presse. Zitat (Richard Sietmann): "Offenbar herrscht in Europas zwischenstaatlichen Einrichtungen die Meinung vor, über die Probleme mit der Einführung elektronischer Wahlsysteme müssen die Wähler nichts erfahren."

2.2) Meinungsfreiheit: Sich frei äußern zu dürfen, ohne Repressalien zu fürchten ist nicht selbstverständlich. Unabhängige Medien tragen zur Meinungsfreiheit bei. Die Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlicht jedes Jahr unter anderem einen Index dazu. Dieser Index misst den weltweiten Zustand der Presse- und Medienfreiheit. Er gibt den Grad der Freiheit wieder, den Journalisten und Nachrichtenagenturen in den einzelnen Ländern genießen, wie auch die Bemühungen des jeweiligen Staates, diese Freiheit zu respektieren und ihren Respekt sicherzustellen. Jedem Land ist ein Platz und eine Punktzahl zugeordnet, die beide gemeinsam die Situation der Pressefreiheit in diesem Land darstellen. Einem Land kann daher jährlich ein neuer Rang zugeordnet werden, selbst wenn die Punkteanzahl unverändert bleibt, und umgekehrt - weshalb die Note der zu beachtende Faktor ist. Der Index bezieht nur Verletzungen der Pressefreiheit mit ein, nicht aber der Menschenrechtsverletzungen im Allgemeinen. Hier die Tabelle:

Jahr Note Rang
2002 1,5 7
2003 1,33 8
2004 2,0 11
2005 4,0 18
2006 5,5 23
2007 5,5 20

 Presseindex für Deutschland

Wie man erkennt, ist ein eindeutiger Verfall der Pressefreiheit zu erkennen. Unfreie Berichterstattung, Zensur, Behinderung von Journalisten, Verwendung von Druckmitteln gehen unter anderem in die Notenbildung ein. Geht die Entwicklung so weiter, wird man in absehbarer Zukunft Nordkorea eingeholt haben.

2.3) Gewaltenteilung: Die Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative ist in Deutschland (noch) gegeben. Durch die Gewaltenschränkung kann eine dieser Staatsmächten eingreifende Kontrolle auf die andere ausüben. Zumindest die Judikative ist in meinen Augen weitgehend intakt. Allerdings bestehen aktuell mehrere Bestrebungen, diese über vermeintliche Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus zu unterhöhlen. So ist der geplante Einsatz eines Bundestrojaners im Gespräch, der heimlich den Computer und den Benutzer ausspioniert, ohne richterliche Genehmigung! Dagegen ist der große Lauschangriff nichts. Noch ist unsere Gewaltenteilung klar erkennbar, wenngleich es klare Tendenzen gibt, die Judikative einzuschränken. Paradebeispiel ist auch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für Provider. Ursprünglich versprachen die Politiker, dass diese Daten nur zur Bekämpfung des Terrorismus verwendet werden. Auf Versprechungen von Politikern darf man nichts geben. Mittlerweile darf jeder an die Daten dran, wenn er einen Strafantrag stellt. Die Aushöhlung besteht darin, dass nun über ein Gesetz diskutiert wird, nachdem man nicht mal eine richterliche Verfügung benötigt, um an die Daten zu kommen. Auch andere Gesetze zielen darauf aus, ohne richterliche Genehmigung die Privatsphäre einer Person zu verletzen: Bundestrojaner, IMSI-Catcher (Gesetz seit 2002 in Kraft), usw..

2.4) Überwachung: Damit eine Diktatur funktioniert, müssen die Bürger überwacht werden. Abweichler und Andersdenkende müssen früh gefunden werden. Zusätzlich wird auch Denunziation gefördert. Im Vergleich zu früher ist es durch die zunehmende elektronische Vernetzung deutlich einfacher geworden, eine effektive Überwachung durchzuführen. Fast jeder Bundesbürger über 14 und unter 60 besitzt zum Beispiel ein Handy. Man muss nicht mal mit einem IMSI-Catcher die Telefongespräche mithören um einiges über jemanden zu erfahren. Schon die Information, von wo man wen wie häufig anruft erzeugt ein Bewegungsprofile das viel Aussagekraft hat. Ruft man z.B. eine Nummer unter der Woche häufig an, am Wochenende nie, ist es ein geschäftlicher Kontakt. Wird eine Nummer am Wochenende gewählt, ist es privater Natur. Wenn die angerufene Nummer einer Person anderen Geschlechts gehört und sich dessen Handy im selben Standort befindet, kann man schon schließen, dass zwischen den beiden Personen ein Verhältnis vorliegt. Andere elektronische Spuren, wie das Zahlen per EC- oder Kreditkarte, das verwenden von Paybackkarten (und ähnliche), elektronische Krankenkassekarte vervollständigen das Profil. Nehmen wir jetzt das Internet hinzu. Jedes Jahr steigt die Anzahl der Haushalte, die einen Computer besitzen. Das Surfverhalten einer Person liefert weitere Informationen. Überwacht man auch noch den Emailverkehr und den Chatverkehr zusätzlich zum Telefon, dann ist es mit der Privatsphäre aus. Mit dem Bestreben über einen Bundestrojaner auch direkt heimlich in den PC einzudringen und dort Daten auszuspionieren kann dann auch der letzte Rest an Informationen herausgewürgt werden. Der PIN zum Onlinebanking ist dann schutzlos preisgegeben und installiert der Trojaner ein Rootkit nebst Keylogger um sich zu verstecken, hilft auch keine Verschlüsselung mehr. Oder man schaltet einfach heimlich das Mikrofon des Notebooks an und hört, was im Raum gesprochen wird. Generell muss man sich fragen, wie aussagekräftig die Daten eines gehackten Rechner sind. Ist mal der Rechner gehackt, kann man der Person dann auch gleich kompromittierende Daten unterschieben. Die Möglichkeit dazu ist ja gegeben. Um gleich mal den Herrn Schäuble zu zitieren, der bei der Einführung der LKW-Maut zugesichert hatte, dass die Daten niemals für Fahndungszwecke verwenden werden: "Wo wir schon mal die Daten haben, wäre es unlogisch, diese nicht zu verwenden." Klar, wenn man die Gelegenheit hat, sollte man sie nutzen. Dass hierdurch ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Person erfolgt nimmt er hin. Denn sicherlich hat er schon ein Gesetz in der Tasche, dass dieser Eingriff bei Politikern nicht erlaubt ist. Kommen wir zu unseren elektronischen Reisepässen. Dass biometrische Daten hinterlegt werden sollen, ist nachvollziehbar. Aber warum einen RFID-Chip verwenden? RFID kann jeder aus der Entfernung auslesen (solange man seinen Pass nicht in ein Bleietui legt). Das macht es unsicher, jeder Dritte kann an die Daten gelangen und der RFID-Chip erlaubt es dann auch, nach zu verfolgen, wohin eine Person geht. Ein fester Chip, wie in EC-Karten, der mit einem Lesegerät ausgelesen muss, erfüllt den selben Zweck, und ist sicher gegen das Auslesen Dritter! Die Verwendung von RFID kann nur das Ziel haben, eine Überwachung zu gewährleisten. Man könnte ja gleich einen Schritt weiter gehen und wie eine amerikanische Sicherheitsfirma, ihren Mitarbeitern RFID-Chips unter die Haut zu transplantieren. Auch die Überwachung öffentlicher Plätze ist verstärkt worden. Die Kriminalitätsrate wurde dadurch nicht verringert, sondern man hat sie nur an andere Plätze verdrängt. Zu Aufklärung von Straftaten sind Kameraüberwachungen nützlich, das will ich nicht abstreiten. Das Problem ist, wer garantiert, dass die Aufnahmen nicht zweckentfremdet und auch gelöscht werden? Ich habe im Fernsehen zu oft Aufnahmen von Überwachungskameras gesehen, die zum Beispiel ein Pärchen beim Sex zeigten, um zu wissen, dass eine Kontrolle und Vertraulichkeit solcher Daten nicht gewährleistet werden können. Man kann sagen, dass, wenn die Tendenz so weiter geht, aus Deutschland ein neuer BigBrother-Staat wird.

2.5) Unterordnung des Einzelnen: Damit eine Diktatur funktioniert, den Bürger dazu zu bringen, sich unterzuordnen. Gewaltsame Mittel sind Gefängnisstrafen, Folter, Psychoterror. Abgemilderte Mechanismen wie Hausarrest, Verbot von Auslandsreisen sind mittlerweile in Diktaturen gängiger. Das gibt es in Deutschland nicht. Warum auch? Wozu gibt es befreundete Nationen, die schmutzige Aufgabe übernehmen und Menschen ohne rechtliche Grundlagen in Guantanamo einsperren. Selbst wenn die CIA zum Schluss kommt, dass ein inhaftierter Deutscher wieder entlassen werden kann, muss unser Außenminister Steinmeier nur bitten: "Behaltet ihn nur ein wenig länger", und die Sache ist geritzt. Aber im Ernst. Man kann nur dann jemand unter Kontrolle halten, wenn dieser Repressalien befürchten muss im Falle eines Aufbegehrens. Sollte in Deutschland jemand unter den Verdacht des Terrorismus fallen, würde wohl als eine der ersten Maßnahmen sein Konto eingefroren werden, ihm also die finanziellen Freiheit nehmen. Je nachdem, wie lange das dauert, kann ein Mensch in den finanziellen Ruin getrieben werden. Generell würden viele Gesetze darauf hin zielen, gewisse Aspekte zu kriminalisieren, damit man eine legale Handhabe besitzt. Einem Blogger würde man Rechtsverdreher auf den Hals schicken mit Abmahnungen und/oder Strafandrohungen.
Damit nicht zu viele dieser Maßnahmen auffallen bzw. angeprangert werden, muss eine Rechtfertigung her halten. Dazu braucht es eines Feindbildes. Ob es jetzt der Klassenfeind der DDR ist, der imperialistische Westen, der Kapitalismus, der Kommunismus, oder der Terrorismus, ein Feindbild hat man immer schnell zur Hand. Aktuell ist es in Deutschland der Terrorismus. Die Rechtfertigung wird dann so formuliert: "Zum Schutze der Bevölkerung müssen wir neue Gesetze erlassen. Wir müssen den Terrorismus zum Wohle der Nation mit aller Härte bekämpfen!" Apropos, habt ihr den Fernsehfilm "Hitler" gesehen? Erinnert ihr euch, mit welchen Worten Hitler die Reichstagsbrandverordnung gefordert und rechtfertigt hat? (Info: Die Verordnung setzte die Weimarer Verfassung praktisch aus den Weg und machte den Weg frei zur Verfolgung und Verhaftung politischer Gegner. Der Reichtagsbrand fand am 27./28. Februar 1933 statt.) Einmal darf man raten! Es ist bezeichnend, dass dieselbe Argumentation heute genauso verwendet wird. Bewegt sich Deutschland aufgrund derselben Argumentation in einen Überwachungsstaat, dann wären wir zum zweiten Mal in der Geschichte in denselben Fehler rein gerannt. Das wäre dann der Beweis, dass solche Forderungen und Gesetze falsch wären. Warten wir es ab.

2.6) Informationsfreiheit: Informationsfreiheit ist essentiell zur freien Meinungsbildung. Zensur und Kontrolle der Medien beeinflussen dieses Recht. Beispiele für Länder, die eine Zensur betreiben, sind China und der Iran. So habe ich diese Woche schon wieder gelesen, dass in China ein Blogger wegen Verbreitung subversiver Inhalte verhaftet wurde. Selbst das Internet wird in den dortigen Ländern kontrolliert. Aber man muss nicht so weit fahren, um die Auswirkung der Medienkontrolle festzustellen. Ein Blick nach Italien genügt. Berlusconi kontrolliert das staatliche Fernsehen. Gäbe es nicht noch andere TV-Sender, so gäbe es wenig Möglichkeiten, sich unabhängig zu informieren. Eine Kontrolle von TV, Internet und Druckmedien erlaubt es, selbst zu entscheiden, welche Nachrichten publiziert werden und welche nicht. Ebenso können falsche Informationen gezielt verbreitet werden. Zur Informationsfreiheit gehört auch das Recht zur Akteneinsicht. Wenn politische Entscheidungen getroffen werden, sollte man auch Einblick auf Grundlagen bekommen, die dazu geführt haben. Ausnahmen sind sensitive Daten. Dumm ist nur, dass die Behörden selbst entscheiden können, was sie als sensitiv betrachten oder nicht. So ist schon seit längerem ein Gesetz in Kraft, dass es den Behörden erlaubt, die Einsicht auf Akten zu verwehren, wenn in diesen Informationen enthalten sind, die sich zur Planung und Ausführungen terroristische Akte eignen. Wobei die Definition, was sich eignet, Ermessenssache ist. Auch ist es ein Unding, dass Stasiakten, die Politiker betreffen, gesperrt sind. Wenn jemand Dreck am Stecken hat, dann gehört er nicht in die Regierung. Und hat die Konsequenzen zu tragen.

2.7) Elitäre Klassen: Es ist überall immer dasselbe. Diejenigen, die Macht haben, bilden ein Klasse für sich. Merkmal elitärer Klassen in einer Diktatur ist, dass ihre Mitglieder nichts oder nur wenig zu befürchten haben, wenn sie mal gegen ein Gesetz verstoßen. Gibt es das in Deutschland? Wenn ein gewisser Herr Ackermann vorab mit einem Victoryzeichen den Gerichtssaal betritt, scheint dies so zu sein. Und eine Verurteilung gab es ja auch nicht. In einem Deal mit dem Staatsanwalt zahlte Herr Ackermann ein paar Millionen. Bei einem Jahresgehalt von 13 Millionen und einer Mannesmannabfindung, die ein vielfaches höher war, ist das keine Strafe. Auch Politiker können lügen, Gesetze beschließen, die gegen das Grundgesetz verstoßen und haben offensichtlich nichts zu befürchten.

Update 1: [23.04.07]: Wenn es zu Diskussionen zum Thema Überwachungsstaat kommt, gibt es garantiert immer einen, der mit dem Argument daher kommt: "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten." Der Satz ist vom rhetorischen Gesichtspunkt genial, denn falls man dagegen zu argumentieren versucht, erweckt man den Eindruck, man hat was zu verbergen. Inhaltlich ist es eine fehlerhafte Argumentation. Hierzu gibt es einen schönen Artikel im Telepolis.

Update 2: [27.04.07]: Wann immer in letzter Zeit das Gespräch auf Überwachung und Bundestrojaner kam, sagte ich, dass dieser garantiert schon eingesetzt wird. Da brauch man sich keine Illusionen zu machen. Und was war diese Woche zu lesen? Genau, schon Schäubles Vorgänger, Schily hatte per Dienstanweisung befohlen, Computer auszuspionieren. Mal wieder ein Beispiel, wie gegen unsere Verfassung verstoßen wird. Demokratie, was ist aus dir geworden?

Update 3: [11.06.07]: Der CC hat ein Gutachten über die Sicherheit/Manipulierbarkeit von Wahlcomputern erstellt.

Update 4: [09.11.07]: Ein weiterer Sargnagel der Demokratie wurde verabschiedet: "Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der großen Koalition den heftig umstrittenen Regierungsentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen mit den Änderungen aus dem Rechtsausschuss verabschiedet. Die Oppositionsparteien votierten geschlossen gegen das Vorhaben, mit dem auch die EU-Vorgaben zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Bei der von den Grünen und den Liberalen geforderten namentlichen Abstimmung sprachen sich insgesamt 366 von 524 anwesenden Abgeordneten für den Entwurf aus, 156 dagegen. Zudem gab es massive Proteste aus weiten Kreisen einer sich neu formierten Bürgerrechtsbewegung unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, die sich in Form einer Großdemo in Berlin, bundesweiten Kundgebungen sowie einer aktuellen Online-Demonstration Bahn brachen. Tausende Bürger sowie Vertreter von Oppositionsparteien haben nun Verfassungsbeschwerden gegen den neuen Überwachungsvorstoß angekündigt." Wie man im Spiegel und anderen Medien (Bericht in der TAZ) lesen konnte, verhöhnte Schäuble diejenigen, die beim Verfassungsgericht Klage einreichen wollen mit einem geschmacklosen Hitler-Vergleich: "Wir hatten den 'größten Feldherrn aller Zeiten', den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten", assoziierte er am Mittwochabend vor Journalisten und Richtern in Karlsruhe. Der geschmacklose Vergleich galt einer Sammel-Verfassungsbeschwerde, die der AK Vorratsdatenspeicherung, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtsgruppen, initiiert hat. Wenn man mich fragt, hat der man ein psychisches Problem. In dem Zusammenhang bin ich dann auch mal auf einen netten Vergleich gezogen, inwieweit sich Schäubles Maßnahmen von denen des Naziregimes unter Hitler unterscheiden bzw. nicht unterscheiden:
http://www.algorithman.de/freedom/schaeuble.htm

Update 5: [02.03.08]: Bundesverfassungsgericht kippt Schäubles Spionagewahn. Es ging sehr schnell. Schäubles Intention, eine heimliche Onlinedurchsuchung ohne richterliche Genehmigung ins Gesetz zu verankern, wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Am 28.02.08 fiel das Urteil. Das Bundesverfassungsgericht führte dabei ein neues Grundrecht auf Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität von Informationssystemen ein. Eine präventive, verdachtsunabhängige Überwachung ist verboten. Nur wenn Leib und Leben von Menschen oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind, darf eine Onlinedurchsuchung durchgeführt werden. Voraussetzung dazu ist in jedem Fall eine richterliche Anordnung. Somit darf Nordrhein-Westfalen sein Gesetz in die Tonne treten. Dieses Urteil hätte jedem Menschen mit einem bisschen Verstand schon im Vorfeld klar sein müssen.

 


3. Wie stark sind Wirtschaft und Politik verzahnt - hat der Bürger überhaupt noch Einfluss auf die Politik?

Wenn man in der Zeitung oder im Fernsehen mitverfolgt, wie und warum Gesetze entlassen werden, fällt sehr häufig der Begriff Lobbyarbeit. Wer oder was steckt dahinter und welchen Zweck verfolgt der Lobbyismus? Die Definition beschreibt es wie folgt:

Lobbyismus wird durch Interessengruppen betrieben, die zielgerichtet zur punktuellen Beeinflussung politischer Entscheidungsträger eine Gesetzesentwicklung initiieren möchte, die ihren eigenen Interessen dient.

War im letzten Jahrhundert der Begriff Lobbyismus verpönt, wird er in den letzten Jahren offen angewendet. Es werden immer mehr Gesetze auf Bundes- und EU-Ebene erlassen, die auf Lobbyarbeit zurückzuführen sind. Die daraus resultierenden Gesetze sind vorteilhaft für die Interessenverbände, in der Regel aber nicht im Interesse des Mittelstandes oder des durchschnittlichen Verbrauchers. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Urheberrecht. Durch eine massive Werbekampagne intervenierte hier die Mafia (Mafia = Music And Film International Association) und schuf Kunstworte wie Raubkopierer. Es war eine wirksame Kampagne und am Ende gab es Gesetze, die bei genauerer Betrachtung nur für die Musikmafia von Vorteil waren, für niemand anderen sonst (schon gar nicht für die Künstler). Dazu werde ich noch einen Blog schreiben. Zurück zum Thema. Durch welche Mittel erfolgt nun eine Beeinflussung? Beziehungsweise welche Methoden hat der Einzelne um politische Entscheidungen zu beeinflussen? Die erste Methode, dich ich untersuchen möchte, ist die "Öffentliche Meinung".

3.1) Öffentliche Meinung
Politiker wollen wieder gewählt werden, daher kann der Druck, den die öffentliche Meinung ausübt, einen unwiderstehlichen Impuls auslösen. Insbesondere wenn Wahlen anstehen. Dann versuchen Politiker regelmäßig, die Stimmung des Volkes für ihre persönlichen Zwecke zu nutzen. Sie surfen sozusagen auf der Welle der öffentlichen Meinung mit. Anders ausgedrückt: sie greifen kurzfristig aktuelle Themen/Skandale auf und machen diese zu Wahlkampfthemen, wodurch wichtige gesellschaftliche und politische Probleme nur ein Schattendasein fristen, falls sie überhaupt im Wahlkampf Erwähnung finden. Reiner Populismus der übelsten Sorte. Aber trotzdem effektiv, weil es einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung erreicht und anspricht. (Was mich natürlich immer zur Frage drängt, warum viele Menschen so leicht beeinflussbar sind? Ist es Naivität, oder Dummheit, oder ist es so, dass viele einfach desinteressiert sind? Schwer zu sagen. Fakt ist, dass nur ein gewisser Teil der Menschen sich wirklich darum Gedanken machen.) Egal, ob es nun aus eigener Überzeugung oder Populismus geschieht, die öffentlich (und schnell wankelmütige) Meinung bewirkt durchaus. Aber wie kommt diese zustande? Man benötigt zur Erreichung vieler Personen eine weit gefächerte Medienpräsenz. Das ist das erste Problem. Für den Otto Normalverbraucher ist es so gut wie unmöglich. Will man beispielsweise eine halbseitige Anzeige in die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu setzen, kostet dies schon mehrere Tausend Euro. Dann kommt man zur Medienpräsenz noch ein zweites Problem hinzu: Medienresonanz. Resonanz bedeutet, dass man genügend Leute erreicht, die darüber auch reden, nur so kann eine Wirkung entstehen. Massive Berichterstattung durch weitere Medienverbände (Fernsehen, Radio,...) ist hierzu notwendig. Wenn niemand über Skandale berichtet, woher weiß man dann, dass welche existieren? Wer entscheidet, was berichtet wird? Wenn also wie in Italien ein Herr Berlusconi ein eigenes Staatsfernsehen hat, entscheidet er, was im Fernsehen gesendet wird. Und sollten andere Fernsehanstalten es wagen, kritische Berichtserstattungen äußern, nun dann gibt es genügend Maßnahmen bis hin zum Entzug der Sendelizenz, die man ergreifen kann. Freie Meinungsbildung und das Erzeugen einer öffentlichen Stimmung gegen die herrschende Politik setzt also voraus, dass die Medien unabhängig und ohne Druck Berichte bringen können. Wie oben erwähnt, findet in Deutschland ein zunehmender Verfall der Pressefreiheit statt. Hinzu kommt, dass es eine Konzentration in der Medienlandschaft gibt. Immer mehr Sendeanstalten/Druckmedien werden geschluckt und befinden sich dann in einer Hand eines Konsortiums/Privatpersonen. Womit diese ein enormes Machtpotential besitzt (Beispiel: Sat.1- Prosieben Mediagruppe mit Prosieben, Sat.1, Kabelkanal, N24 oder auch die RTL-Gruppe oder Springer Medien oder Kirchgruppe). Macht (ver-)führt zu Missbrauch eben dieser. Die großen Medienkonglomerate sind also auch Wirtschaftsunternehmen und abhängige Sender/Verlage haben es da schwer. Gehen wir aber davon aus, dass diese nicht von der Politik kontrolliert werden. Wann wird etwas berichtet? Vordringlich werden Skandale berichtet, sofern sie als wichtig und interessant genug betrachtet werden. Man sehe sich da nur zum Beispiel die RTL II - News an, die jeden Abend um 20:00 Uhr gesendet werden. Die halbe Sendezeit wird nur mit Promi-Klatsch und -News gefüllt. Wo sollen da kritische Berichte noch Platz haben? Noch schlimmer, was jetzt am 17. Juli zu lesen war: Sat.1 hat ohne Vorwarnung seiner Mitarbeiter beschlossen, das Senden der Sat.1-Nachrichten am Abend einzustellen und statt dessen "Richterin Barbara Salisch" - Folgen zu senden. Da wird der Bürger nun überhaupt nicht mehr informiert. Will man wissen, was wirklich an Skandalen in der politischen Landschaft geschehen, muss man Sendungen wie Monitor, Report usw. anschauen, die aber einen zu kleinen Zuschauerkreis haben, als dass sie eine genügend große Personenzahl und damit eine Resonanz erreichen.

Fassen wir es zusammen: Notwendig ist eine Medienpräsenz bzw. -resonanz. Hierzu sind unabhängige, staatlich nicht kontrollierte Sender, Verlage notwendig. Für eine einzelne Person ist es sehr schwer Medienresonanz zu erzeugen. Finanzielle Mittel müssen verfügbar sein wenn man auf Plakate, Flugblätter, Anzeigen zurückgreifen möchte. Aufmerksamkeit der Medien zu bekommen ist nicht einfach. Am ehesten noch durch spektakuläre Aktionen à la Greenpeace, die oft den Nachteil haben, dass die Aktion entweder gefährlich oder nicht legal sind. All das ist auch eine Erklärung, warum es politische Attentate gegeben hat und wohl auch immer geben wird. Es ist der letzte Ausweg des Einzelnen (oder einer Gruppe) Einfluss auf die Politik zu nehmen.

 

3.2) Indirekte Beeinflussung der Entscheidungsträger

Politiker müssen irgendwann mal eine Entscheidung treffen. Genauer gesagt, sind es die Entscheidungsträger in den Ministerien. Und wer ist das? Nun, die Vergabe der Ministerposten erfolgt nach dem Motto: "Ach, was willst du?" und nicht "Ach, was kannst du?". Konsequenz, auf einem Ministerposten sitzt jemand, der im Normalfall Null Sachverstand zur Materie hat, für die das Ministerium zuständig ist.  Ein nettes Beispiel zu fehlendem Sachverstand ist die Justizministerin Zypries. "Was?", wird da die Entgegnung sein, "die Frau kann ein Jurastudium aufweisen, folglich wird der Posten nicht verkehrt sein." Das Problem besteht darin, dass entsprechendes Fachwissen fehlt. Man wird doch auch nicht zu einem Anwalt für Familienrecht gehen, wenn man einen für das Strafrecht benötigt. Im "Der Fischer Weltalmanach" wird Zypries wie folgt beschrieben: Von ihrer Laufbahn her gesehen ist sie eher eine Art Managerin und Staatssekretärin denn Politikerin. Nun gut, mag man weiter argumentieren, niemand kann alles wissen, aber man kann sich einarbeiten. Dann schauen wir mal auf die Arbeit von der Frau Zypries: Eine ihrer letzten Aktivitäten bestand in der Modernisierung des Urheberrechts, insbesondere im Internet. Man sollte daher davon ausgehen, dass sie sich mit dem Thema beschäftigt hat. Bei "Kinder fragen Politiker" im ARD-Magazin stellten Kinder Politikern einige Fragen. So bekam Zypries folgende Frage: "Nennen Sie uns einige Browser!" Zypries: "Browser? Was war denn noch mal ein Browser?" Ohne Worte! Hier der Link zum Video. Klar, als Bürger erwartet man keinen fundierten Sachverstand, aber ein Grundverständnis sollte da sein, sonst wird es peinlich. Lösung 1 des Problems: man greift entsprechend auf den Sachverstand der niederen Ministeriumsbeamten zurück. Na ja, es ist aber auch hier bekannt, dass dieser manchmal nicht allzu gut gediegen ist. Die Lösung 2 besteht darin, sich externen Sachverstand, sprich Leihbeamte, ins Boot zu holen. Genau die Gelegenheit für die Industrie und Lobbyverbände ihre Leute in die Ministerien reinzusetzen und somit an der Strickung von Gesetzen zu wirken. Gesetzte, die gut für sie und schlecht für den Bürger sind. Das Fernsehmagazin Monitor deckte in der Oktobersendung vom Jahr 2006 die schmutzige Praktiken mit Leihbeamten auf. Beispielsweise das Bundesverkehrsministerium. Die Fraport AG (Frankfurter Flughafen) hatte dort einen ihrer Mitarbeiter sitzen. Ihr Interesse: Eine weitere Landebahn für noch mehr Flugzeuge; somit noch mehr Lärm. Seit Jahren existierten deswegen heftige Bürgerproteste. Und wie entschied sich das Ministerium: Nach gründlicher Prüfung und Expertisen von Beratern, steht einer weiteren Landebahn nichts im Wege. Eine Rückfrage von Monitor brachte dann folgendes Statement vom Bundesverkehrsministerium: Zitat: "Herr A., Angestellter der Fraport AG, berät seit September 2001 das Bundesverkehrsministerium..." Interessenskollisionen seien dabei ausgeschlossen.
Wer es glaubt! Weitere Beispiele: Stromlobby im Wirtschaftsministerium, das die Durchleitungsgesetze für Stromlieferungen machte kann man zu Haufe bringen. Weitere Monitorberichte deckten immer mehr von diesem Sumpf auf, trotz Widerstand der Ministerien:

* Bezahlte Lobbyisten in Bundesministerien: Wie die Regierung die Öffentlichkeit täuscht, Monitor-Bericht vom 21.12.2006
* Der Lobby-Sumpf: Bezahlte Lobbyisten in Landesministerien, Monitor-Bericht vom 18.01.2007

Ein gemeinnütziger Verein namens Lobbycontrol, hat sich nun die Mühe gemacht, einmal zu untersuchen, wer alles so seine Leute als Leihbeamte in den Ministerien hat. Hier die Liste der Lobbyisten in den Ministerien. Es ist erschreckend! So hat ein halbes Dutzend Banken alleine das Bundesfinanzministerium "unterwandert". Bei anderen Ministerien sieht es genau so aus. Aufgrund dieser Unterwanderung kann man klar davon ausgehen, dass der Bürger schon lange keinen Einfluss auf die Gestaltung der Politik hat. Das ganze Problem lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Zitat: "Werden Ministeriums-Mitarbeiter von Unternehmen bezahlt, werden sie zu Dienern zweier Herren. Damit wird der Grundgedanke des Grundgesetzartikels 33 unterlaufen, der festschreibt, dass Staatsdiener in einem Treueverhältnis zu ihrem Dienstherren stehen sollen. Auf diese Weise wird die absurde Situation geschaffen, dass Mitarbeiter von Unternehmen und Verbänden direkt oder indirekt an den Gesetzen mitwirken, die eigentlich ihre Unternehmen regulieren sollen. Da wird sprichwörtlich der Bock zum Gärtner gemacht."

Und dies ist eine Praktik, die schon über Jahrzehnte hinweg geht. Aber es geht nicht nur um die direkte Einflussnahme auf Regierungsprozesse. Durch den Einblick in interne Abläufe, Kenntnisse vertraulicher Themen und das Knüpfen persönlicher Kontakte entstehen den entsendenden Unternehmen Vorteile, die weit über die konkrete Tätigkeit im Ministerium hinaus reichen. In diesen Genuss können, das liegt in der Natur der Sache, nur wenige - große Unternehmen und Wirtschaftsverbände - kommen. Konsequenz: Lobbyisten raus aus den Ministerien!
Auch der Bundesrechnungshof sah sich genötigt, mal die Eckpunkte zusammenzufassen, nach welchen Kriterien externe Mitarbeiter beschäftigt werden soll. darunter auch der Punkt, ob es überhaupt notwendig ist, externe Mitarbeiter einzustellen.

Schlimmer, als im Ministerium einen Mitarbeiter zu haben, der einen zweiten Dienstherren hat, ist es, wenn der entsprechende Minister selber noch ein weiteres Gehalt oder Gehälter aus Industrie und Wirtschaft bezieht. Aktuell gibt es laut der Liste im Spiegel 161 Mandatsträger, die Nebeneinkünfte aus Wirtschaft und Industrie beziehen, vielfach sogar mehrere Nebeneinkünfte. Und hier sollen keine Interessenskonflikte entstehen? Aber hallo! Ein Politiker ist ein vom Bürger gewählter Volksvertreter und kein Vertreter von Wirtschaftsverbänden. Dies ist nicht nur unmoralisch, sondern steht auch im Gegensatz zum Sinn und Zweck eines Volksvertreters. Die Problematik dies daraus entsteht ist ersichtlich. Konsequenz: Nebeneinkünfte für Politiker müssten verboten werden, stellen sie doch nichts anderes als eine legale Korruption da. Aber warum ist es in Deutschland nicht verboten? Dies ist eine Folge des Systems, dass wir benutzen. Was macht ein Bundestagsabgeordneter nachdem er seine 4 Jahre oder sagen wir mal 8, erfolgreich absolvierte hat? Einen neuen Job in der Wirtschaft suchen, für die die Gesetze, an denen der Politiker mitgewirkt hat, nachteilig waren? Da wird er nicht allzu viel finden. Vor so einem Problem würden etliche Politiker stehen. Für diejenigen, die vorher selbstständig waren, wäre immer noch die Möglichkeit gegeben, zurück in ihren alten Beruf zu gehen. Aber: Viele der Bundestagspolitiker haben Jura studiert, doch in Deutschland herrscht ein Überangebot an Rechtsanwälten. Schlechte Karten. Umgekehrt ist das auch der Grund, warum man so viele Juristen unter den Politikern findet. Läuft die Kanzlei zu schlecht, geht man mal für ein paar Jahre in die Politik, knüpft Kontakte in der Wirtschaft und nimmt dann dort einen Job an. Siehe Ex-Kanzler Schröder. Unser Gesetzgeber sagt: Unterbricht jemand seine Arbeit, um als Volksvertreter anderweitig seine Person einzubringen, darf ihm die Rückkehr in sein früheres Leben nicht erschwert werden - so steht es zumindest in den Statuten des Deutschen Bundestages. Schmarren! Das steht genau im Gegensatz zur Definition des "Freiern Mandats"! Verdoppelt, verdreifacht meinetwegen das Gehalt und verbietet im Gegenzug alle Nebeneinkünfte, unabhängig ob es Beraterverträge oder echte Nebentätigkeiten sind. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Ausscheider aus der Politik sich nicht um seine Zukunft sorgen muss (vorausgesetzt er verspielt oder vertrinkt nicht sein Gehalt. Aber dann ist er selber Schuld).
Ein weiterer Punkt den man häufig übersieht, ist derjenige, das eine Nebentätigkeit auch Zeit kostet. Ich glaube nicht, dass ein Posten im Aufsichtsrat eines Unternehmens, frei von Arbeit nicht - falls doch, würde ich so einen Job gerne haben. Im Fernsehen sieht und hört man es immer wieder: Ein Bundestagspolitiker hat einen 10h-Job (manche sagen, sogar 16h) und muss immer Arbeit mit nach Hause nehmen (behaupten zumindest fast alle Politiker). Nun kommt ein Friedrich Merz daher, der sage und schreibe 7 Nebentätigkeiten hat und nach eigenen Angaben die Hälfte seiner Zeit für diese aufbringt. Hierunter muss, wie die Logik einem schon sagt, die Arbeit als Mandatsträger leiden. Anders formuliert: Da wird jemand aus unseren Steuergeldern bezahlt einen Full-Time Job zu erledigen und er macht (weil es ihm nicht genug Profit bringt?) nur einen Half-Time Job? Und Indizien, dass Merz seine Mandatsarbeit vernachlässigt wird, gibt es: Im Spiegelartikel zu seinen Nebeneinkünften wurde dieser auch vorgestellt: Die Seite Abgeordnetenwatch.  Auf dieser Seite können Bürger ihren Volksvertretern Fragen zur Politik stellen. Der Spiegel hat untersucht, wie nun Merz im Vergleich zu anderen Politikern abschneidet: Er hatte auf keine einzige Frage eine Antwort gegeben, obwohl der Spiegel nach Herausfiltern von unwichtigen und nicht relevanten Fragen, immer noch auf 10 (seit Dezember 2006) verweisen kann, auf die eine Antwort gegeben hätte werden sollen.
Interessant ist dort auch die Statistik der Antworten auf Parteien bezogen: An der Spitze stehen die Grünen mit 85% Antworten und Schlusslicht bildet die CSU mit 65% (CDU 73%). Setzt man die Zahlen in Bezug zur Anzahl der Politiker aus der Liste der Nebeneinkünfte, ergibt sich eine nette Koinzidenz: Grüne (5), Linke(10), FDP (18), SPD (48), CDU/CSU (79) zu Prozent der Antworten bei Abgeordnetenwatch: Grüne (85%), FDP (81%), Linke(76,%), SPD(75%), CDU(73%) und CSU(65%). Die Offenlegung der Nebeneinkünfte wurde ja gerichtlich verfügt, wenngleich auch nicht weitgehend genug. Nur der Bundestagspräsident verfügt über die genauen Zahlen. Überblick über die Nebeneinkünfte ist Voraussetzung für eine Transparenz und auch zur Nachverfolgung bei der Entstehung der Gesetzesvorlage. Nur so ist erkennbar, welchen gesamtstaatlichen Schaden durch Wirtschaftslobbyismus angerichtet wird.

3.3) Direkte Beeinflussung der Entscheidungsträger

Man könnte eigentlich auch Korruption und Bestechung dazu sagen, wobei die Grenze zwischen legal und illegal sehr verschwommen ist. Wann wird eine Gefälligkeit eine Bestechung? Ist schon eine Einladung zu einer Veranstaltung, mit einem teuren Buffet oder 5-Gänge Menü eine Bestechung? Ein Einladung zu einer Bootsreise auf der eine Infoschau vorgeführt wird? Folgende Korruptionen sind auf jeden Fall illegal:
- Schmiergeldzahlungen (jüngster Skandal bei Siemens)
- Genehmigungskorruption
- Käuflichkeit politischer Entscheidungen
- Bestechlichkeit in der Verwaltung (manipuliere Ausschreibungen, Weitergabe von Preisen anderer Bewerber)

Das sind nur ein paar Beispiele, zeigt aber dennoch die Brisanz die dahinter steckt. Korruption ist arg verbreitet. Besonders übel war die Korruption in der EU. So schlimm, dass 1999 nach einer Reihe von Skandalen das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegründet wurde. Es soll Betrug zu Lasten des EU-Haushalts sowie Korruption innerhalb der EU-Institutionen bekämpfen. Der wohl spektakulärste und politisch brisanteste OLAF-Fall war die Eurostat-Affäre um schwarze Kassen beim Luxemburger EU-Statistikamt (Eurostat), die die Kommission Prodi im Jahr 2003 in Bedrängnis brachte:

"Eurostat habe seit 1989 unter seinem Direktor Yves Franchet fiktive Aufträge vergeben oder manipulierte Rechnungen ausgestellt. Diese Gelder seien über Jahre in schwarze Kassen geflossen, aus denen die Mitarbeiter teure Freizeitaktivitäten finanzierten. Die Höhe des Schadens wurde den Angaben der Zeitung zufolge im Jahr 2003 von der EU-Kommission auf 930 000 Euro geschätzt. Andere Schätzungen gingen zu diesem Zeitpunkt von bis zu 40 Millionen Euro aus." [Quelle: Wikipedia].

Also Schwarze Kassen, um Freizeitaktivitäten zu finanzieren. Schwarze Kassen? Hoppla, die klingelt bei mir was. Da war doch dieser Skandal um die Schwarzen Kassen der CDU, in Folge dessen sie eine Strafe von 41 Millionen D-Mark aufgebrummt bekam. Genauer gesagt, wurde dieser Betrag bei der Vergabe der staatlichen Mitteln nicht ausgezahlt. Schwarze Kassen von illegale Spenden, um damit Wahlen und was weiß ich noch sonst was zu finanzieren. Und da gab es noch die Schmiergelder bezüglich den Waffenexporten, in die Kohl und der damalige Schatzmeister Kiep verwickelt waren. Frau Merkel, damals Generalsekretärin der CDU verlangte, der Ehrenvorsitzende solle seine Gönner nennen. Schäuble und das Präsidium der CDU sagten das auch, meinen es aber weniger ernst. Das ging nämlich nicht: Redet Kohl, läuft er Gefahr, dass er von seinen Geldgebern ebenfalls verpfiffen wird. Sie könnten zum Beispiel enthüllen, wie viele Millionen sie ihm tatsächlich - über die von ihm eingestandene Summe hinaus - zugesteckt haben. Auch weitere Empfänger mochten bei einer solchen Gelegenheit sichtbar werden. Wie hieß es damals in den Nachrichten: "Schwarze Kassen haben bei der CDU eine lange Tradition." Ich kann nur hoffen, dass heutzutage diese Tradition nicht mehr fortgeführt wird.
Wenn es um Korruption geht und deren Enthüllung geht sind insbesondere drei Aspekte wichtig: Enthüllung und Aufdeckung von Skandalen, die Effektivität der Bekämpfung und die konsequente Nachverfolgung der Straftäter.

3.3.1 Enthüllung und Aufdeckung von Korruption: Zur Aufdeckung von Skandalen tragen bei: Journalisten, mutige Mitarbeiter in den betroffenen Behörden, offizielle Einrichtungen und private Organisationen.
Eine auch in Deutschland bekannte Aufdeckung eines Skandals ist die Watergate-Affäre. Jeder Enthüllungsjournalist träumt von der Aufdeckung so eines Skandals. Allerdings brauchen sie dafür Insider-Informationen. Und diese kann nur von mutigen Beamten kommen. Denn diese müssen mit ernsthaften Konsequenzen rechnen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses usw.. Jobverlust und Haftstrafen drohen.  Aber auch Journalisten müssen in Deutschland aufgrund des so genannten Einschüchterungsparagraph mit Strafen rechnen. Info: Mit Einschüchterungsparagraph wurde im Streit um die strafrechtliche Verfolgung von Journalisten (August 2007), die geheime Dokumente aus einem Untersuchungsausschuss veröffentlicht hatten, § 353b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) bezeichnet. Dabei ist § 353b StGB ein Amtsdelikt und Nichtamtsträger, wie Journalisten, können sich daher nur der Beihilfe zu § 353b StGB strafbar machen. Auch andere Paragraphen kann man als Einschüchterungsparagraphen definieren.
Das ist für Beamte ein ernsthaftes Problem, dass sich genauso auf EU-Ebene wieder findet. Bekanntestes Opfer ist der EU-Beamte Paul von Buitenen. Dieser hatte Unregelmäßigkeiten und Betrug entdeckt und einen Bericht an die UCLAF, den Antikorruptionsdienst der Europäischen Kommission geschickt. Diese allerdings versagte allerdings. Nicht so sehr durch Inkompetenz, sondern durch Pflichtverletzung und Korruption. Worauf Paul von Buitenen gegen den ausdrücklichen Befehls des Generalsekretärs 75 Dossiers verfasste und an das Kontrollgremium des Parlaments versandte. Und schon waren die Repressalien da: Beurlaubung, Halbierung seines Gehalts, Ausschluss vom Computernetz, Versetzung in eine "ungefährliche" Abteilung (Gebäudeverwaltung), Einleitung eines Untersuchungsausschusses wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses. Zusätzlich wurde er als Lügner beschimpft und inkompetent genannt. Hätte sich nicht nach einiger Zeit die Presse auf den Fall gestürzt, wer weiß, wie es ausgegangen wäre. Im niederländischen Fernsehen schilderte Van Buitenen am 13. Juni 2004, dass er als Folge der Krise ein Aussätziger geworden sei und dass sein Computer durchsucht worden war. Auch für seine Familie sei die emotionale Belastung gewaltig gewesen. Er wäre nie zum Whistleblower (wörtlich: Pfeifenbläser - Hinweisgeber, Denunziant) geworden, wenn er die Folgen vorher gekannt hätte. Hier ist der Knackpunkt. Beamte müssen besser geschützt werden, wenn sie Fälle von Korruption und Insiderhandel bekannt geben. In den Vereinigten Staaten gibt es ein Gesetz dazu (Whistleblower Protection Act). Und in der EU: Ein Vorschlag, Informanten gesetzlich zu schützen, wurde durch das Parlament allerdings abgelehnt. Die EU-Kommission führte nur neue Vorschriften ein, die Whistleblower - also Bedienstete, die Missstände in der eigenen Behörde ans Licht bringen - besser vor Nachteilen bewahren sollen. Das Europäische Parlament ließ hierzu im Mai 2006 eine Studie erstellen, die den internen Regeln für EU-Whistleblower kein gutes Zeugnis ausstellt. Das sagt schon alles! Bleiben noch zur Aufdeckung von Skandalen, die öffentlichen Behörden und private Organisationen übrig. Mehr dazu im Abschnitt zur Effektivität der Bekämpfung.

3.3.2 Effektivität der Bekämpfung: Hier haben natürlich die öffentlichen Einrichtung zu zeigen, dass sie dazu in der Lage sind. Auf der Europäischen Ebene war die UCLAF dazu nicht in der Lage, weshalb 1999 die OLAF gegründet wurde, die unabhängiger arbeiten sollte. Diese konnte dann auch einige spektakuläre Fälle aufweisen. Allerdings scheinen dies nur Ausnahmefälle zu sein. Die Behörde arbeitet weiterhin unzulänglich und Veröffentlichungen ihrer Ergebnisse sind schwer zu finden, wenn überhaupt. Ich habe 10 Minuten lang mal versucht über deren Homepage nach einem Bericht über Korruptionsberichte und einen Korruptionsindex zu finden - vergeblich. Auch der Europäische Rechnungshof äußerte 2005 folgende Kritikpunkte:

Es ist also hier bei weitem nicht alles im Grünen. Neben der Olaf gibt es auf der europäischen Ebene noch weitere Institutionen, die Korruption und Unregelmäßigkeiten aufdecken: Der Europäische Rechnungshof bei der Verwendung von EU-Geldern und der Betrugsbericht der Europäischen Kommission. Und in Deutschland? Ich habe im Internet gesucht nach einer Antikorruptionsbehörde in Deutschland. Fehlanzeige! Das gibt es wohl nicht. Was dem am nächsten kommt, ist eigentlich nur der Bundesrechnungshof, der über die Ein- und Ausgaben, also für die Prüfung des Haushalts- und der Wirtschaftsführung des Bundes. Es scheint, dass öffentliche Einrichtungen hier nicht gegeben oder nur sehr unwirksam sind. Es bleiben nur noch unabhängige private Organisationen übrig. In Deutschland ist Transparency Deutschland, ein Ableger von International Transparency. Hier stieß ich zum ersten Mal auf weltweite Zahlen, die belegen wie stark die Korruption in den Ländern ist. Im Internet Center for Corruption Research gibt es nette Listen über die weltweite Korruption: den Korruptionsindex. Für 2005 und 2006 sind diese auch auf der Seite von Transparancy Deutschland zu finden. Aufgrund von mehreren untersuchten Fällen wird ein Ranking erstellt von 0 (Bananenrepublik) bis 10 (Sauberstaat). Allerdings ist aufgrund der oft geringen Anzahl an Fällen (ca. 8-12), eine statistische Fehlertoleranz mit angegeben. Schauen wir uns mal die Daten bezüglich Deutschland an:

Jahr Index Fälle 90%-iges Vertrauensintervall
2006 8,0 7 7,8 - 8,4
2005 8,2 10 7,9 - 8,5
2004 8.0 7 7.8 - 8.4
2003 7,7 11 7.1 - 8.2
2002 7,3 10 6,7 - 7,7

Hier scheint sich erfreulicherweise ein leichter Trend zum besseren zu bewegen. Allerdings kann man das im Rahmen der Standardabweichung nicht eindeutig beantworten. Zum anderen kann das auch daran liegen, dass die "Schwarzen Schafe" aus früheren Fehlern gelernt haben und ihre illegalen Aktivitäten besser verstecken. Beispielsweise wurden bei der CDU die Gelder von den schwarzen Kassen zurücktransferiert durch gefälschte Erbnachlässe. Auch zu Bedenken ist, dass es in Deutschland einen Verfall der Pressefreiheit zu verzeichnen ist und Journalisten in ihrer Tätigkeit stärker behindert werden (Anmerkung: Einschüchterungsparagraph).

3.3.3 Konsequente Nachverfolgung der Straftäter: Das Strafmaß für Korruption ist in Deutschland nicht so hoch angesetzt wie in anderen Ländern. Nehmen wir als Beispiel mal die Schmiergeldaffäre bei Siemens. Im bundesweit ersten Prozess (Mai 2007) ist der frühere Finanzvorstand der Kraftwerkssparte des Konzerns zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss er 400.000 Euro an gemeinnützige Organisationen zahlen. Also Bewährungsstrafe und ein Bußgeld, das zu seinem Jahresgehalt als Vorstand dieses Großunternehmens lachhaft ist. Brauchen wir härtere Strafen? Wie sieht es in anderen Ländern aus? So sind bei sehr schweren Korruptionsvergehen in China die Todesstrafe, in Kolumbien bis zu acht Jahre Freiheitsentzug, in der Türkei bis zu zwölf Jahre und in Griechenland bis zu 20 Jahre Zuchthaus vorgesehen. Im aktuellen Korruptionsindex (Stand 2004) belegen diese Länder (bei insgesamt 133 gelisteten Ländern) allerdings nur die Plätze 50 (Griechenland), 59 (Kolumbien), 66 (China) und 77 (Türkei). Interessant ist jedoch, dass gerade jene Länder, die gute bis sehr gute Platzierungen in diesem Index erreichen, wie Finnland (1),Schweden (6), die Schweiz (8) oder Österreich (14) relativ geringe nominale Strafen für Korruption besitzen. Gut, man muss natürlich mit ins Kalkül ziehen, wie schwerwiegend der Vorfall ist. Nichtsdestotrotz könnte ein Anhebung des Strafmaßes nicht Schaden. Auch wenn über die Wirksamkeit einer Strafverschärfung wie gesagt diskutiert werden kann, sollte die aber auf jeden Fall für Politiker erfolgen.
Unabhängig vom Strafmaß ist es aber wichtig, dass eine konsequent Ermittlung möglich ist. Bei dem oben beschriebenen Fall von Buitenen wurde dieser ja von den Vorgesetzen behindert bzw. zurückgehalten. Auch die zuständige EU-Kommissarin zeigte wenig Anstalten zur Aufklärung des Skandals beizutragen. Dies ist in der Politik in Deutschland genau so. Ein schwarzes Schaf wurde ertappt, aber die Partei muss sauber bleiben. So ist wohl das Crédo der Politiker. Behindern der Ermittlungen, Zurückhalten oder Vernichtung von Beweismitteln ist garantiert schon vorgekommen. Auch Schlamperei und Inkompetenz können die Aufklärung und damit die Strafverfolgung behindern. So hat die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton, die von Siemens selber eingesetzt wurde, um den Schmiergeldskandal aufzuklären, beklagt, dass Siemens-Manager die Aufklärung des Schmiergeldskandals boykottieren. Oder auch ein anderes Beispiel: der Fall Kurnatz. Im Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) kam es zu einen Datencrash bei den der gesamte Bestand an Geheimdienstinformationen aus den Jahren 1999 bis 2003 vernichtet worden sind. Darunter waren brisante Berichte von Auslandseinsätzen von den Militärattachés im Ausland, sowie um Mitteilungen ausländischer Nachrichtendienste. Die Panne sei aufgedeckt worden, als der Verteidigungsausschuss des Bundestages Unterlagen aus dem Datenbestand der Bundeswehr aus dem Jahre 2002 angefordert hatte. Hier hatte man 2004 die Datensicherungsanlage ausgetauscht und konnte hinterher nicht mehr die Backupbänder einlesen - so der offizielle Tenor. Inkompetenz oder Vertuschung - man kann jetzt drüber streiten was schlimmer ist. Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass eine Aufklärung nicht mehr möglich ist. Apropos Aufklärung uns Strafverfolgung. Das Vertrauen der Bürger in die Demokratie basiert auf der Gewaltenteilung und dass die Judikative unbeeinflusst ihre Arbeit tut und die Täter ihrer gerechten Strafe zuführt. Im Fall der schwarzen Kassen der CDU in Hessen sind da Zweifel aufgekommen. Dort schien es eine "Zufälligkeit der Strafverfolgung" zu geben:
25. März 2002: Das Landgericht Wiesbaden lehnt die Anklage gegen Kanther, Weyrauch und Wittgenstein ab. Die Staatsanwaltschaft ficht dies vor dem Oberlandesgericht Frankfurt an. 12. Januar 2004: Das Oberlandesgericht gibt der Beschwerde statt und lässt die Anklage zu. Verhandelt wird vor dem Landgericht Wiesbaden, das als ersten Termin den 17. August bestimmt.
Man wollte also erst gar nicht ermitteln, und dann, als es doch durchgesetzt wurde, lag alles schon 1,5 Jahre zurück. Zeit genug, eventuelle Spuren zu vernichten. Ich behaupte hier nicht, dass man Spuren vernichtet hat, aber man hatte die Gelegenheit dazu. Oder warum hat man die Stasiakten von Ex-Kanzler Kohl und Konsorten unter Verschluss gestellt? Wenn man nach dem Tenor der heutigen CDU/CSU - Befürworter eines Überwachungs- und Stasistaates geht - wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten - hätte es keinen Grund dazu gegeben. Es sei denn, die Stasi wusste zum Beispiel um mehr illegale Schmiergeldaffären, als Kohl zugegeben hatte.
Meiner Meinung nach benötigt Deutschland ein unabhängiges Amt für Anti-Korruption, das mit weitgreifenden Rechten ausgestattet ist, um schnell und effektiv handeln zu können.

3.4) Regierungs-Sponsoring
Sponsoring ist weit verbreitet. Sieht man vom Mäzenatentum ab, basiert Sponsoring auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Investiert ein Unternehmen in eine Sportart, bekommt sie als Gegenwert unter anderem ein besseres Image, und eine gute Werbeplattform. Seit Jahren ist es so, dass viele Unternehmen Gelder (2006 - 55 Millionen Euro) für Kampagnen, Festveranstaltungen, Empfänge, Bankette usw. für Beamte und Ministerien ausgeben. Der Spiegel hatte dazu am 18. Januar 2007 einen Artikel zum Thema Regierungssponsoring herausgegeben mit dem Titel: "Zum Wohl, liebe Staatsdiener!". Vereinfacht ausgedrückt passiert folgendes: Ein Unternehmen, das Auftragnehmer eines Ministeriums ist, sponsert Beamte bzw. Feste des Ministeriums. Im Gegenzug erhofft es sich, dass es weiterhin als Auftragsnehmer lukrative Aufträge bekommt. Ich sage bewusst erhofft. Denn das ganze bewegt sich am Rande von Bestechung und Bestechlichkeit:

Der Spiegel hat im Juli 2007 eine Sponsoring-Tabelle herausgegeben, in der aufgeschlüsselt nach Ministerien drin steht, wer wie viel bekommen hat. Das Gesundheitsministerium hat hier den größten Happen bekommen. Sicherlich ist es gut, wenn Firmen Gelder in Kampagnen zur AIDS-Aufklärung reinstecken, aber Geld in einen Galaempfang reinstecken? Wodurch profitiert das Unternehmen? Wo ist da zum Beispiel die Werbewirkung? Diese kann nur bei den Beteiligten statt finden, den Beamten. Sind Menschen, bzw. Politiker, immun gegen diese Form der Beeinflussung? Wenn laut Stern Bericht EADS das Verteidigungsministerium sponsert und dann pro Jahr 300 Aufträge bekommt, unter anderem höchst umstrittene, wie den Euro-Fighter, sind gesunde Zweifel gegeben. Schauen wir mal in die Pharmaindustrie. Diese galt schon immer als extrem Korruptionsanfällig, weil sie ihre Produkte vermarkte, indem sie Ärzte, Apotheker und Wissenschaftler mit gesponserten Konferenzen, Software und anderen Zuwendungen massiv beeinflusste. Viele Ärzte begrüßten dies, weil es ihren Haushalt entlastete. Wenn dann fast nur noch teure Produkte des Pharmaunternehmens vom Arzt verschrieben wurden, schien alles klar. Durch massiven Druck sah die Pharmaindustrie sich gezwungen, sich selbst einen strengen Kodex zu unterwerfen. Dies hat dem Sponsoring einen Riegel vorgeworfen. Die Forderung, mehr Transparenz beim Regierungssponsoring aufzubringen, ist nicht die Lösung. Überspitzt formuliert bedeutet das: Was nützt es uns, wenn wir wissen, von wem die Politiker geschmiert werden? Verboten werden sollte das Sponsoring für interne Veranstaltungen wie Partys. Auch der Bundesrechnungshof sieht solche Aktivitäten als bedenklich an. Leider ist mir bei meinen Recherchen nicht der Name der Person untergekommen, die die offizielle Haltung unserer Regierung wiedergibt: "Zahlungen dieser Art sind international üblich zur Entlastung öffentlicher Haushalte." Ah ha, es ist üblich...

3.5) Ausweg: In die Politik gehen?
Wie heißt es so schön: Kritiker wissen alles besser, können aber nichts. Will man etwas verändern, reicht es nicht aus, darüber zu schimpfen, sondern besser wäre es, selbst aktiv zu werden. Folglich sollte man selber in die Politik gehen. Zur Bewirkung von Änderungen, muss man allerdings in der politischen Hierarchie sehr weit hoch klettern, an den Hebeln der Macht sitzen. Dies kostet sehr viel Zeit. Vorausgesetzt, man erreicht jemals eine entsprechende Position. Das Problem ist der Filz in den Parteien. Je älter und größer, umso mehr Filz. Seilschaften, Vetternwirtschaft, Intrigen, Protegierung, Diffamierung sind gang und gäbe. Paradebeispiel ist die CSU Affäre um Gabriele Pauli. Da wagte es eine Landrätin am Thron den vom, innerhalb der CSU fast schon Heilig gesprochenen, Ministerpräsident Stoiber zu sägen. Dessen Büroleiter Michael Höhenberger hatte dann versucht durch telefonische Anrufe versucht Dreck über Pauli auszugraben, um somit Druckmittel zu erhalten, mit denen man Pauli zum Stillsein zwingen konnte. Nach Höhenbergers Version hat er sich selber nur umgehört, um die Motivation für die einmalige aggressive Politik von Gabriele Pauli zu ergründen. Damit ist er anscheinend vor Gericht durchgekommen, denn das Verfahren wurde eingestellt. Andernorts scheute man sich nicht von Bespitzelung mit Stasi-Methoden zu reden. Die öffentliche Empörung war so stark, dass dies dann auch das Karriereende von Stoiber bedeutete. Damit war Pauli politisch tot. Die „Buh“- und „Pauli raus“-Rufe in der alkoholgeschwängerten Aschermittwochs-Luft von Passau waren nun wirklich niveaulos und primitiv. Auch die Titulierung "Königsmörderin" ist keine feine Art. Stoiber-Nachfolger Beckstein, der seinen Traum vom Ministerposten, ihr verdankt, wird ihr als Belohnung wohl keinen Job geben. Genau genommen sagte er deutlich: "Sie ist erledigt." Gegen den Strom schwimmen kann also zu einem schnellen Ende der politischen Karriere führen. Heult man dagegen mit der Meute, sinkt man selber in den Sumpf hinein und es ist fraglich, ob man je wieder heraus kommt. Man kann sich natürlich auch aus allem heraushalten. Nur ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass man für einen Wahlkreis aufgestellt wird, bei dem man als Gewinner hervorgeht, sehr gering. Den gibt man jemanden, der mit der Meute heult. Übrig bleibt nur ein Wahlkreis, wo traditionell die andere Partei die Hoheit hat.
Was ist die Konsequenz? Eine eigene Partei gründen? Ein rigoroser Richter in Hamburg, (der dann später aus der eigenen Partei rausgeschmissen wurde, weil er nicht koscher war) hatte gezeigt, dass durchaus die Möglichkeit besteht, diesen Weg zu gehen. Davor waren es die Grünen. Die beste Chance wäre es jetzt. Die ausufernde Überwachungswahnvorstellungen und Lobbyfreundliche Gesetze haben dazu geführt, dass ich eine Partei gebildet hat, die diesem Einhalt gebieten soll: Die Piratenpartei. Wenn, dann besteht jetzt wirklich die größte Chance Veränderungen zum Besseren zu bewirken.